Der
folgende Text ist ein Beispiel, wie man möglichst nicht schreiben
sollte! Er soll Sie nicht abschrecken sondern als Sprachspezialisten
herausfordern. Wenn Sie im Studium solchen Texten begegnen, gibt es
eigentlich nur eine vernünftige Methode: Suchen Sie ein Buch, in dem
dasselbe in vernünftigem Deutsch erklärt wird!

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Bestimmung
der molaren Masse leicht verdampfbarer Flüssigkeiten mit
Hilfe der Allgemeinen Gasgleichung
Methode nach Victor Meyer
Das Volumen des Dampfes, der durch Verdampfung einer
bekannten Menge des zu untersuchenden Stoffes gewonnen wurde,
stellt man fest, indem man das Volumen der Luft bestimmt, das
von diesem Dampf aus einem abgeschlossenen Raum verdrängt
wird. Das verdrängte und bei Zimmertemperatur aufgefangene
Luftvolumen ist dem Volumen des Substanzdampfes äquivalent.
Das Gewicht der Flüssigkeit oder des leicht verdampfbaren
Feststoffes wird durch Wägung bestimmt. In der abgebildeten
Apparatur wird diese Einwaage in einem verschlossenen
Fläschchen [gelb] eingebracht und durch einen Glasstab
festgehalten.
Durch den Thermostaten wird [das Wärmebad] auf eine
Temperatur aufgeheizt, die über dem Siedepunkt der Substanz
liegt. Dabei erwärmt sich die Luft im Inneren der Apparatur so
lange, bis ihre Temperatur gleich der Badtemperatur ist. Dann
wird das mit Wasser gefüllte Eudiometer-Rohr aufgesetzt. Durch
Wegziehen des Glasstabes [..] wird das Substanzfläschchen auf
den Boden des Gefäßes gebracht und so geöffnet bzw.
zerbrochen. Die Substanz verdampft und verdrängt erwärmte
Luft. Diese wird auf Zimmertemperatur [Badtemperatur im
rechten Gefäß] abgekühlt und im Eudiometer aufgefangen. Auf
diese Weise ist ermittelt worden, welches Volumen der
Substanzdampf bei Zimmertemperatur und beim gerade
herrschenden Luftdruck einnehmen würde.
Quelle: Kaiser / Hennig:
Physikalische Chemie, Gehlen / Bad Homburg 1999 S. 141
Worterklärungen:
e Phiole: kleine Flasche
e Einwaage: Menge des Stoffes, der hinzugefügt wird
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Dieser Text stammt aus einem Chemie-Lehrbuch. Gigantische
Satzlängen, Partizipien ... so ziemlich alle Tücken, mit denen
deutsche Fachbuchautoren einfache Dinge schwer machen, sind in diesem
Text enthalten. Einige Techniken können beim Verstehen helfen:
Fachbegriffe sind zwar meist Nomen, aber zum Verständnis ist in der
Regel das Verb am wichtigsten. Die einfache Frage heißt:
WER TUT WAS?
(Bitte identifizieren Sie die Antwort präzise im Text!)
1. Wer/Was wird gewonnen?
2. Wer/Was wird verdampft?
3. Wen/Was stellt man fest?
4. Wen/Was bestimmt man?
5. Wer/Was wird verdrängt?
6. Wer/Was wird aufgefangen?
7. Wer/Was wird bestimmt?
8. Wer/Was wird eingebracht?
9. Wer/Was wird festgehalteh?
10. Wer/Was ist verschlossen?
Eine weitere Unsitte der verkürzenden Fachsprache sind die
Partizipien. (Suchen Sie die entsprechenden im Text!)
Hier nochmals kurz die Regeln:
Partizip 1: passiert jetzt, Aktiv (Der schlafende Student ist
der Student, der jetzt schläft.)
Partizip 2: ist schon
passiert, meist im Passiv (Die gekochte Milch wurde gekocht.), aber
auch Aktiv als abgeschlossener Vorgang (Der soeben
eingefahrene
Zug fährt nicht mehr.)
Wird das Ergebnis einer Handlung bezeichnet, benutzt man das
sog. Zustandspassiv. (Nachdem jemand die Tür zu gemacht hat, ist sie
geschlossen)
zu + Partizip 1: Etwas soll
oder muss gemacht werden. Die zu schreibende Klausur ist die Klausur,
die wir demnächst schreiben müssen
~bar :
Es
ist möglich; man kann... Alles was essbar ist, kann man essen.
Nun wenden Sie
bitte die "WER TUT WAS"-Methode auf die folgenden Wörter an!
Beispiel: der zu untersuchende Stoff
Antwort: Der Stoff soll untersucht werden.
1. der abgeschlossene Raum
2. das verdrängte Luftvolumen
3. das aufgefangene Luftvolumen
4. der verdampfbare Feststoff
5. die abgebildete Apparatur
6. das verschlossene Fläschchen
7. das mit Wasser gefüllte Eudiometer
8. erwärmte Luft
9. der gerade herrschende Luftdruck
Nun dürfte doch
einiges schon viel klarer sein. Zum guten Schluss kann man den
ganzen Prozess noch einmal stichwortartig zusammenfassen:
1. Ein Verdampfungsgefäß
2. Die Temperatur des Verdampfungsgefäßes
3. Die Probe
4. Wenn man den Glasstab wegzieht,
5. Die verdampfte Substanz
6. Die verdrängte Luft
7. Die abgekühlte Luft
8. Das Volumen der Luft
(c) Hans
Göttmann 2016