1.
Die Physik
beschäftigt sich mit den Vorgängen in der unbelebten Natur
und mit den Eigenschaften der daran beteiligten Körper. Seit
Jahrtausenden beobachten die Menschen die Erscheinungen der
Natur und versuchen sie zu erklären. Warum fällt ein Stein
zur Erde? Warum ist der Himmel blau? Aus der Beobachtung der
Natur versuchte man die Ursachen für physikalische Phänomene
zu erkennen. Es dauerte jedoch viele Jahrhunderte, bis die
Naturwissenschaftler erkannten, dass es physikalische
Gesetze gibt, die universell gültig sind (und deren
universelle Gültigkeit durch die moderne Physik schon wieder
in Frage gestellt wird).
2.
Für uns ist es z.B.
selbstverständlich, dass die Sonne und die Planeten
physikalische Körper sind, deren Bewegung man physikalisch
exakt beschreiben kann. Eine Bewegung auf der Erde kann man
experimentell überprüfen, bis zum Zeitalter der Raumfahrt
konnte man die Bewegungen der Himmelskörper jedoch nicht
experimentell beeinflussen. Deshalb glaubte die Physik
jahrhundertelang, dass im Weltall andere Bewegungsgesetze
gelten als auf der Erde.
3.
Wir wollen uns
diese Entwicklung am Beispiel der Dynamik etwas näher
ansehen.
Das
naturwissenschaftliche Denken in Europa wurde fast 2000
Jahre lang von der Lehre des griechischen Philosophen
Aristoteles (384-322 v.Chr.) beherrscht. Aristoteles fragte
nach dem Grund, warum sich verschiedene Körper bewegen.
4.
Aus der
Alltagserfahrung konnte man leicht erkennen, dass es einen
Zusammenhang von Bewegung und Kraft geben mußte. Nach einem
Lauf von vierzig Kilometern war man erschöpft und einen
Stein konnte der am weitesten werfen, der die meiste
Muskelkraft besaß. Offensichtlich gab es also einen
Zusammenhang von Kraft und Bewegung und zwar so, dass ein
Körper durch eine große Kraft auch schneller bewegt
(beschleunigt) wurde.
Wenn wir z.B.
einen Tisch durch das Zimmer schieben wollen, müssen wir
ständig Kraft aufwenden. Entsprechend muss ein Pferd
ständig am Wagen ziehen, damit er mit konstanter
Geschwindigkeit rollt. Die aristotelische Physik kam also
zu der Schlussfolgerung, dass eine konstante Kraft nötig
ist, um eine konstante Geschwindigkeit zu erreichen. Wenn
keine Kraft auf einen Körper einwirkt, dann würde der
Körper zur Ruhe kommen.
5.
Mit dieser
Theorie war es jedoch sehr schwierig, Bewegungen zu
erklären, die offensichtlich ohne Krafteinwirkung
abliefen. So fliegt ein geworfener Stein auch weiter durch
die Luft, nachdem er die Hand verlassen hat. Die Flammen
des Feuers steigen nach oben, ohne dass sie jemand
hochhebt und die Sterne bewegen sich, ohne dass sie jemand
schiebt.
6.
Aristoteles
beseitigte diesen Widerspruch, indem er eine bestimmte
Bewegungsrichtung als Eigenschaft bestimmter Stoffe
definierte. Nach seiner Meinung war die Bewegungsrichtung
eines Körpers durch den Stoff bestimmt, aus dem der Körper
besteht. Ein Stein fällt demnach zur Erde, weil er zur
Erde gehört. Das Feuer steigt nach oben, weil diese
Bewegung sozusagen "naturgemäß" zum Feuer gehört. Die
Planeten hatten nach dieser Theorie die Eigenschaft, sich
grundsätzlich in vollkommenen Kreisen zu bewegen.
7.
Erst im 17.
Jahrhundert wurde diese Theorie durch eine neue ersetzt.
Der italienische Wissenschaftler Galileo Galilei
untersuchte die Bewegung verschiedener Körper auf einer
schiefen Ebene. Im Gegensatz zu den griechischen
Philosophen beschränkte er sich dabei nicht nur auf die
unbeteiligte Beobachtung der Natur, sondern führte
Experimente durch.
8.
Galilei ging
zunächst von einer einfachen Beobachtung aus: Wenn eine
Kugel auf einer schiefen Ebene nach unten rollt, dann wird
sie beschleunigt. Wenn sie dagegen nach oben rollt, so
findet eine Verzögerung statt. Aus dieser Beobachtung
folgerte er: Wenn die Ebene weder auf- noch abwärts
geneigt ist, dann dürfte weder eine Beschleunigung noch
eine Verzögerung auftreten.
9.
In einem zweiten
Experiment stellte Galilei zwei schiefe Ebenen einander
gegenüber. Die Kugel startet am höchsten Punkt der ersten
schiefen Ebene und rollt diese herunter. Dann rollt sie
die zweite schiefe Ebene hinauf, bis sie stehenbleibt und
ihre Bewegungsrichtung ändert. Die Geschwindigkeit der
Kugel kann man theoretisch daran erkennen, welche
Höhe sie auf der zweiten schiefen Ebene
erreicht. Wenn man nun die Neigung der zweiten schiefen
Ebene verringert, legt die Kugel dort einen längeren Weg
zurück, bis sie diese Höhe erreicht hat. Wird die Neigung
Null, so wird sie die Höhe niemals erreichen und also ewig
weiterrollen, wenn man die Reibung vernachlässigt.
10.
Galilei kam daher
zu dem Schluss, dass sich ein Körper, auf den keine Kraft
einwirkt, ewig in der gleichen Richtung und mit der
gleichen Geschwindigkeit weiter bewegen wird.
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